Dass die Preise für Immobilien hierzulande anziehen, ist keine neue Nachricht. Doch mit den Ergebnissen ihrer neuesten Analysen überrascht die Rating-Agentur Standard & Poors (S & P) doch. Sie prognostiziert für Deutschland einen so starken Preisanstieg bei Wohnimmobilien wie in kaum einem anderen europäischen Land.
Gute Wirtschaftslage fördert Preisanstieg
Deutsche Wohnimmobilien sollen dieses Jahr um 4,5 Prozent teurer werden, im nächsten Jahr sind es nochmals 4 Prozent.
Im europäischen Vergleich gibt es nur ein Land, dass diese Zahlen übertrifft – Großbritannien.
Für den Anstieg in Deutschland sind nach Ansicht der S & P-Analysten eine ganze Reihe von Faktoren verantwortlich, u.a.:
- das nach wie vor knappe Immobilienangebot trotz steigender Baugenehmigungen;
- niedrige und tendenziell sogar noch sinkende Arbeitslosigkeit;
- Einkommenszuwächse durch hohe Tarifabschlüsse;
- die anhaltend niedrigen Zinsen, die Finanzierungen günstig machen;
- Unsicherheit gegenüber der bisherigen Altersvorsorge wie z. B. Lebensversicherungen; Kaum sinnvolle Alternativen in der Geldanlage
Auch das ausländische Käuferinteresse nimmt nach Beobachtung von S & P zu. Seit andere Immobilienmärkte – zum Beispiel in Frankreich, Italien und Spanien – an Attraktivität verloren haben, wenden sich Investoren bevorzugt deutschen Wohnimmobilien zu.
Differenzierter Immobilienmarkt
Die steigende Nachfrage spiegelt sich in der Preisentwicklung wieder. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede. Der Boom konzentriert sich vor allem auf Großstädte (Hamburg, Köln, Düsseldorf, München, Berlin, Leipzig) Ballungsgebiete (Rhein-Main) und einzelne besonders begehrte Mittelzentren. In anderen Regionen fällt die Entwicklung des Immobilienmarktes wesentlich verhaltener aus. In weniger attraktiven ländlichen Regionen können Wohnimmobilien sogar oft nur mit Abschlägen vermarktet werden.
Eigentümer in Boom-Standorten können sich dagegen über markante Wertsteigerungen freuen. In städtischen Lagen sind Wohnimmobilien nach Schätzungen der Bundesbank seit 2010 um fast 20 Prozent teurer geworden, in den sieben größten deutschen Metropolen betrug der Preisanstieg alleine im vergangenen Jahr 9 Prozent. Die Bundesbank sieht darin bereits Anzeichen einer Immobilienblase und hält die Objekte im Schnitt für 25 Prozent überbewertet. Wesentlich optimistischer beurteilt S & P die Situation. Hier verweist man auf die zuvor jahrelange Preis-Stagnation bei deutschen Wohnimmobilien. Im internationalen Vergleich sei Wohneigentum in Deutschland immer noch unterdurchschnittlich verbreitet. Insofern bestehe hier noch Preispotential.
Banken-Stresstests simulieren Immobilienblasen
Dennoch bleibt der Blick von Bankaufsehern und Währungshütern auf den Immobilienmarkt kritisch. Seit der Finanzkrise und den Schwierigkeiten der Euro-Krisenländer geht die Furcht vor einer erneuten Immobilienblase mit gravierenden Folgen für das Bankensystem um. In einem Stresstest der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, der für die nächsten Monate angesetzt ist, werden daher auch Immobilien-Krisenszenarien durchgespielt. An dem Test müssen insgesamt 124 europäische Banken teilnehmen, darunter auch namhafte deutsche Institute. Bezogen auf die Eurozone wird von einem Preiseinbruch von fast einem Fünftel am Immobilienmarkt ausgegangen. Die Banken müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, einen solchen Schock zu verkraften und über ausreichend Eigenkapital verfügen.
Wesentlich skeptischer als in Deutschland wird übrigens die Lage in Großbritannien gesehen. Hier gibt es wesentlich mehr Anzeichen für eine Immobilienblase – ein Grund, warum die Bank of England beim Stresstest noch schlimmere Szenarien für die britischen Inseln unterstellt.